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 ”Der Bücherdieb”  03
 

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Einige Minuten später gingen sie die normale Runde Arthurs ab und Akio schmunzelte leise, als ihm ein Gedanke kam. "Irgendwie seltsam, das jetzt aus dieser Perspektive zu sehen - normalerweise folge ich dir immer auf den Regalen oder den Dachbalken."

Sie hatten sich noch ein klein wenig unterhalten, und waren nun auf der Runde Arthurs unterwegs. Der hatte zuvor schon bemerkt, daß Akio kaum Geräusche machte, wenn er sich bewegte, und daß dessen Lederrüstung nicht knarrte. Jetzt war es aber überdeutlich, und Arthur blieb kurz stehen. "Du bist ziemlich gut ausgebildet, kann das sein ? Du machst keine Geräusche, nicht einmal dein Klamotten knarzen ... du bist ein Dieb, oder ?"

Daß es zwangsläufig zu dieser schwerwiegenden Frage kommen würde, hatte Akio schon erwartet und seufzte leise, ehe er sich zu Arthur umdrehte und ein wenig schiefer lächelte. "Manchmal, wenn es nötig ist - doch eigentlich bin ich Spion, Scharfschütze und vor allem Assassine. Und ja, ich bin sehr gut ausgebildet ... bis ich fünfzehn war, lernte ich unter meinem Vater, einem Mohawk, wie man sich auf den Stahlträgern der Hochhäuser bewegt, und auch einige andere Dinge ... und als er dann meiner Mutter folgte und starb, nahm mich ein Schamane unter seine Fittiche und zeigte mir, wie ich mit einigen meiner Talente umgehen kann, er lehrt mich noch immer vieles. Doch seit ich siebzehn bin, also seit zwei Jahren, bin ich Mitglied einer kleinen Organisation, die sich damit beschäftigt, böse gewordene, besondere Wesen wieder auf den rechten Pfad zu bringen oder wenn es wirklich nicht anders geht, zu töten, ehe sie Menschen töten. Ich weiß, das klingt jetzt total schräg und nach übelster Fantasy - aber es stimmt." Als er endete, zuckte Akio kurz mit den Schultern und lächelte verlegen, denn er wußte selbst wie seltsam das klang, wenn man nicht die Wahrheit wußte. "Sorry, daß ich jetzt alles erzählte - aber ich wollte dich nicht anlügen, ich mag dich nämlich. Sehr."

"Ähm ... ja. Schräg kann man wohl sagen." Akio hatte Arthur ziemlich überfallen und er überlegte kurz, wie er darauf antworten sollte, und ließ sich nochmal alles durch den Kopf gehen. "Aber wenn ich genau darüber nachdenke ... ich bin mit den keltischen Sagen groß geworden. Ich denke, ich glaube eher an so etwas, als einige andere Menschen."

"Glaub ich gern - und vieles, das als Legende abgetan wird, existiert wirklich. Vampire zum Beispiel, sowohl geboren als auch gebissen ... Werwesen allerlei Arten, Schwarzmagier, Weißmagier und Magier wie mein Lehrer und auch ich, die wilde Magie lenken. Drachen, Lindwürmer, Titanen und andere besondere Wesen ... es gibt so viele, auch wenn viele Rassen schon am Aussterben sind." Gerade das war manchmal tragisch und er war jedes Mal froh, wenn sie nicht töten mußten. "Der Schatten über dem Fenster, der mein Graffiti verdeckt, ist so etwas: Ich habe das Talent, Schatten zu formen und zu lenken, es ist ein Teil der wilden Magie und mehr als nur nützlich für meinen Beruf." Bei dem Letzteren schmunzelte Akio wieder und blickte nach oben zu dem Fenster, das den Blick aufs Dach ermöglichte.

Unwillkührlich folgte auch der Blick des Rothaarigen, und er lächelte leicht. "Ich glaube auch, daß es höhere Wesen gibt. Ich mag die mystischen Sagen und man stellt sich gern vor, daß alles echt wäre. Daß es wirklich so ist ... es scheint unglaublich, aber irgendwie glaube ich dir. Du bist eine ehrliche Haut." Arthur verstand es selbst nicht, aber er glaubte es wirklich, und es erschreckte ihn auch nicht.

"Danke, daß du mich nicht gleich in eine Klapsmühle stecken willst, sondern offen bist. Weißt du, es gibt nämlich noch eine andere Seite - bigotte Idioten, die schon seit dem frühen Mittelalter Jagd auf alles machen, das nicht menschlich und damit nicht gottgewollt ist. Dabei ist das total idiotisch - es gibt erstens besondere Wesen, die sehr gut sind ... und zweitens ist Gott auch nicht gegen alle diese Wesen, schließlich hat er sie ja miterschaffen. Eines dieser Wesen ist einer der ältesten, noch lebenden geborenen Vampire: Er ist so lieb, der kann eigentlich keiner Maus etwas zuleide tun. Afar ist der Gefährte meines Offiziers und lehrt in dem Hauptquartier der Garde alte Sprachen und Geschichte, er ist über zweitausendfünfhundert Jahre alt und die meiste Zeit als Sklave durch alle Kontinente und Kulturen gewandert." Man hörte nur zu gut heraus, welchen Respekt Akio vor dem Vampir hatte, und daß er die Unterrichtsstunden mit ihm mehr als nur genoß.

"Okay ... also das ist ... wow !" Erst jetzt war Arthur richtig baff und er brauchte einen Moment, um das genau zu begreifen. "Also ein lebendes Geschichtsbuch ... und du hast ziemlichen Respekt, das hört und sieht man." Die Augen von Akio strahlten, wenn er von diesem Vampir sprach. "Und er heißt Afar ? Ich kenne den Namen aus einer Geschichte meiner Vorfahren. Unser Stamm, dessen Blut noch in meinen Adern fließt, verehrte Kian den Bär. Ein Berserker, er war ein großer Kämpfer. Mein Vater ist sehr stolz auf unser Blut." Auch wenn er selber diesem Blut nicht gerecht wurde, da er sich nicht wie ein Berserker benahm.

Nun war es an Akio, eine Braue zu heben, ehe er leise lachte und verwundert den Kopf schüttelte. "Zufälle gibts ... ja, du hast recht und wir hatten genau diese Geschichte erst vor einer Weile im Unterricht, als Afar uns seine Lebensgeschichte erzählte. Er war der Sklave, den Kian in einer Schlacht aufgelesen und behalten hat ... und der sein Gefährte wurde. Afar erinnerte sich gern an diese Zeit und auch an den Ziehsohn, den Kian aufzog, und der schließlich sein Nachfolger wurde. Ein Junge, der Wolf hieß und nach Kian einer der wildesten Berserker wurde." Während sie redeten, hatten sie die Runde Arthurs beendet und standen wieder vor dem Aufgang zum Dach, und Akio ging vor und hielt dem Größeren die Türe auf.

"Wegen Kian dem Bär habe ich den Namen Arthur bekommen ... er bedeutet auch Bär und mein kleiner Bruder heißt Marlon, was dann Wolf als tiefere Bedeutung hat." Arthur trat durch die Tür und ging mit auf das Dach, um sich dort hinzusetzen. "Was bedeuten die Lichtschwingen ? Haben sie etwas mit Gott zu tun ?"

"Jup - indirekt. Der Anführer der Gruppe, der ich angehöre - Suchar - war früher ein Engel, aber man schlug ihm die Schwingen ab ... nun ist er weder Engel noch Dämon, sondern was dazwischen. Gott Faron gab ihm dann diese Lichtschwingen, indem er sie mit seinem Blut auf Suchars Rücken tätowierte. Einer seiner Offiziere, der Gefährte Afars, hat sie jetzt auch bekommen - und der andere Offizier bekommt sie irgendwann die nächste Zeit. Ich habe das Graffiti deshalb hierhingemalt, damit alle wissen, daß die Bibliothek ein neutraler Ort ist, an dem sich alle aufhalten können ... und der Schamane, der mich unterrichtet sorgt dafür, daß es auch so eingehalten wird. Es war seine Idee, daß ich das Bild hier beginne ...  und ehrlich gesagt, denke ich langsam es war Absicht, damit wir beide uns kennenlernen." Als Akio endete, nahm er seinen Rucksack ab und holte zwei Spraydosen in einem dunklen und helleren Rot heraus und setzte spezielle Düsen auf, ehe er kurz zu Arthur lächelte und es erklärte. "Mit diesen Düsen kann ich genauer sprayen und Details herausarbeiten ... es sieht einfach besser aus."

"Davon habe ich schon gehört, es macht auch die Linien weicher und so ...  und wegen dem Schamanen. Warum meinst du hat er gewollt, daß wir uns kennenlernen ?" Arthur merkte schon jetzt, daß Akio ihn mochte, und er mochte ihn irgendwie auch.

"Nun ja ..." Der junge Mischling zögerte einen Moment, doch dann stellte er die beiden Dosen hin, neigte sich zu dem Sitzenden und küßte ihn kurz, ehe er sich wieder löste und die beiden Spraydosen aufnahm. "Man weiß eigentlich nie, was die Schamanen mit einem vorhaben - aber ich bin ehrlich, ich mag dich verdammt gern und wenn du nichts dagegen hast, würde ich dich gern bessser kennenlernen."

"Ähm ..." kam es nur von Art, der noch total von dem kleinen Kuß gefangen war. Er hatte einfach nicht damit gerechnet, und fühlte den Kuß noch lange auf seinen Lippen nach. "Ich ... würde auch ... irgendwie." Es schlich tatsächlich eine sachte Röte in seine Wangen und so zeigte sich, daß Arthur noch total unerfahren mit Küssen und Beziehungen war. Das einzige Mal, wo er Sex hatte, daran erinnerte er sich nur mit Grausen und ihm lief unbewußt eine Gänsehaut über den Rücken. "Das war mein erster Kuß."

Als er das hörte, erstarrte Akio und für einen Moment weiteten sich seine Augen. Doch dann stellte er die Dosen wieder hin und kam zu Arthur, legte seine Hände auf dessen kräftige, breite Schultern und fragte ihn mehr als nur verdutzt. "Du verarschst mich doch jetzt ? So ein absoluter Hingucker wie du ... dir müßten doch Frauen und Kerle im Dutzend nachlaufen ? Zeitgleich ?"

"Hätte ich einen Kerl angeschleppt, würde Dad mich weichprügeln, und bei Frauen ... ich ... an meinem sechzehnten Geburtstag hat Dad mich abgefüllt und mir dann eine Nutte geschenkt, die mich entjungfert hat. Ich hatte es erst am nächsten Morgen so richtig mitbekommen, als ich wach wurde und sie sich gerade wieder anzog." Arthur widerte es noch immer an, und er haßte seinen Vater dafür. "Er meinte dann, daß ich jetzt ein richtiger Mann bin."

"Spinnt der ?" Im ersten Moment wußte Akio nicht, was er anderes sagen konnte ... doch dann seufzte er leise und neigte sich vor, küßte den Rotblonden ein weiteres Mal, doch ein wenig länger, und legte schließlich seine Stirn an dessen, während er die Arme um den starken Nacken Arthurs schlang. "Sorry, aber dein Alter ist ein absoluter Idiot. Und du mußt mich nicht anschleppen - den Idiot will ich gar nicht sehen. Aber wenn du es möchtest, können wir nach deinem Dienstschluß in meine Wohnung gehen und ich zeige dir, wie schön es sein kann, wenn man sich einfach gerne hat und berührt."

Die Zärtlichkeit tat jetzt schon sehr gut, und der Kuß war wunderschön gewesen. "Ich kann leider nicht. Ich muß gleich nach Hause, aufräumen und Frühstück machen." Danach lehrte er Marlon noch so viel er konnte, dann Mittag, und erst dann konnte er schlafen.

Aber Akio sah mehr als nur gut, wie sehr Arthur es bedauerte und nickte. "Mein Angebot steht, mein Hübscher ... du kannst zu mir, so lange und so oft du es möchtest. Vielleicht kannst du ja hin und wieder ein wenig Zeit finden ? Und natürlich haben wir Zeit, wenn wir hier sind. Ich kann einen Zauber in die Schatten legen, die mich warnen, wenn Jemand einbrechen will - dann können wir uns ein wenig Zeit lassen und um uns kümmern. Oder du nimmst deinen Bruder vielleicht einmal mit zu mir, dein Vater muß es ja nicht wissen. Hm ?"

Die Angebote klangen sehr gut, aber Arthur wollte Akio erst noch besser kennenlernen. "Ich denke darüber nach und vielleicht, wenn wir uns noch ein paar Tage länger kennen." Arthur vertraute Akio schon jetzt, aber er brauchte noch einige Zeit.

"Wie du es möchtest, Großer. Bitte versteh mich nicht falsch, ich will dich jetzt nicht zwingen oder dich zu etwas überreden ... aber ich spüre, wie sehr dich das alles belastet und vor allem, wie sehr du ungestörtte Ruhe nötig hast, dmait dein Inneres wieder zur Ruhe kommt und sich erholen kann. Es ist eine Stärke und auch ein Fluch, wenn man schamanische Wurzeln hat ... und gerade bei dir spüre ich es besonders stark und möchte dir gerne helfen, da ich dich wirklich mag." Als er endete, küßte Akio ihn noch einmal zärtlich und genoß es, daß sie den Kuß etwas länger hielten und daß die Arme Arthurs sich ein wenig um ihn legten, ehe er sich wieder langsam von ihm löste und die beiden Spraydosen aufnahm. "Das ist übrigens etwas, das mir mein Lehrer zeigte: Man kann auch in Bilder Magie legen, deshalb sind die Bilder in den Steinzeithöhlen oft so extrem kraftvoll und beeindruckend."

"Das ist dieses schon jetzt ..." erwiderte Arthur leise und beobachtete Akio nun beim Sprayen. Es war schnell zu sehen, daß der Schwarzhaarige in eine Art Trance geriet und sich voll auf das Bildnis konzentrierte. Es lag wirklich etwas magisches darin, als die Hände und Teile von dem, das gesprayt war, sacht schimmerten. Das Schimmern schien in den Rubin in der Mitte des Kreuzes zu fließen, und sammelte sich dort. "Wahnsinn ..."

Es dauerte nur noch wenige Momente, dann war Akio fertig und atmete tief durch, lächelte und nahm einen seiner Wurfdolche, stach sich kurz in die linke Handfläche und ließ zwei Tropfen Blut auf das Dach fallen, die sofort aufgesogen wurden und verschwanden. Auch seine Hand heilte sofort und er nickte, als er die Dosen zumachte und sie in seinen Rucksack steckte. "Ja ... als ich das erste Mal die wilde Magie spürte, habe ich mir das auch gedacht. Nun ist die Magie in dem Rubin, und spricht mit den besonderen Wesen."

Erst jetzt stand Arthur auf und trat wieder an das Graffiti heran. Die Farbe war schon trocken und es war zu vermuten, daß es auch etwas mit der Magie von Akio zu tun hatte. "Sagt es ihnen jetzt, daß dies ein neutraler Ort ist ? Du hattest etwas erwähnt wegen der Bedeutung."

"Ganz genau. Mein Lehrer möchte, daß es so ist - und einem Schamanen widerspricht man nicht, vor allem nicht dem obersten Schamanen." Als er das sagte, grinste Akio, da es zwar der Wahrheit entsprach aber nicht so ernst war, wie es klang. "Ich habe dieses Bild auch an anderen Orten angebracht, die hier in New York neutral sein sollen ... das hier ist das Letzte, und auch das Größte und bisher Schönste. Hier ließ ich mir Zeit und kostete es aus, denn hier bin ich gerne." Daß es vor allem auch wegen Arthur war, erwähnte der junge Assassine nicht ... doch es war etwas, das sich der Rotblonde denken konnte. "Bleiben wir noch ein wenig hier ? Oder möchtest du wieder runter ?"

"Ich muß, ich hab noch immer einen Job zu machen. Auch wenn ich nebenher immer wieder am Computer arbeite." Arthur war sehr pflichtbewußt und hatte Angst vor einer Kontrolle, bei der er vielleicht seinen Job verlieren würde, weil er nicht an seinem Platz war. "Hin und wieder kommen Kontrollen, wenn ich da hier oben bin, ist es nicht gut. Gerade weil sie unangekündigt sind ... obwohl bis jetzt keine mehr gekommen ist, das war in der ersten Woche."

"Ja, ich weiß ..." Akio schmunzelte wieder, als er daran dachte, daß er die Kontrolleure beobachtet hatte. "Sie waren sehr zufrieden mit dir - und ehrlich ? Es gehört zu deinen Pflichten, daß du auch auf dem Dach nachsiehst, ob dort Jemand ist. Dein Vorgänger hat es nie getan, deshalb wurde er gefeuert - und deshalb hat man es dir auch gesagt, daß du es tun sollst."

"Du weißt ? Ah, ich verstehe - du scheinst wirklich sehr oft hier zu sein. Wegen den Geschichtsbüchern, oder ?" Jetzt machte es Klick bei Arthur und er grinste sacht. "Ich würde aber trotzdem lieber runter, ich muß an dem Programm weiterarbeiten. Wenn ich das fertig habe und verkaufe, bekomme ich viel Geld und kann dann endlich für Marlon sorgen, wenn ich einundzwanzig werde .. vielleicht dann auch vorher schon." Das war ihm extrem wichtig und er legte auch schon immer wieder Geld beiseite, damit sein Vater nichts davon mitbekam.

Als er das hörte, runzelte Akio kurz die Stirn - doch dann nickte er und lächelte wieder, als er seinen Rucksack aufnahm und auf den Rücken wuchtete. "Das wußte ich nicht ... dann gehen wir natürlich gleich. Und ich sage dir ehrlich: Ich finde es mehr als nur toll, wie gut du programmieren kannst." Dann ging er zur Treppentüre udn hielt sie Arthur mit einem Lächeln auf, wartete unten auf ihn, bis er sie abgesperrt hatte und folgte ihm zu den Computern.

 

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